Donnerstag, 4. Oktober 2012

Argentinien – Brasilien, /:/, Resistencia, Argentinien


Das Leben ist einfach zu schön um wahr zu sein. Der gestrige Superclássico hat das mal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Welche Vorurteile fallen uns ein, wenn wir an Südamerika denken? Unorganisiert, schlampig aber auch sexy? Das sind natürlich unzulässige Verallgemeinerungen und es gibt große Unterschiede zum Beispiel zwischen Argentiniern und Brasilianern. Aber das Duell Argentinien – Brasilien fügte sich bestens in viele dieser Vorurteile ein, denn das Spiel fand nicht statt!
Was war passiert? Brasilien hatte das Hinspiel 2:1 gewonnen, somit war jetzt ein Unentschieden genug, um den Copa Roca zu gewinnen. Das Rückspiel sollte in Resistencia, einer Provinzhauptstadt in Argentiniens Norden stattfinden. Dies geschah auf Geheiß der Präsidentin Christina Kirchner, die dem dortigen Gouverneur einen Gefallen tun wollte. Die beste Mannschaft aus Resistencia spielt in der vierten Liga, trotzdem wurde das Stadion erst kürzlich komplett renoviert und auf 25.000 Plätze erweitert.
Somit machten sich die beiden Mannschaften und ihre Fans mitten in den Endphasen der jeweiligen nationalen Meisterschaften aufgrund von lokaler politischer Vetterleswirtschaft auf den beschwerlichen Weg nach Resistencia. Es wurde berichtet, dass die Stadt nicht einmal genug Hotelbetten hatte. Das Stadion füllte sich, die Spieler machten sich warm und liefen wie geplant zu den Hymnen ein. Alles lief nach Plan. Doch mit dem Ende der Hymnen, endete auch die Stromkapazität des gerade erst renovierten Stadions. Plötzlich standen alle im Dunkeln.
 Der Schiedsrichter wartete eine knappe Stunde und beschloss dann im Einvernehmen mit den Mannschaftsvertretern das Spiel abzusagen. Die Fernsehanstalten mussten erst das Nichts kommentieren (was mich an das „gefallenen“ Tor von Madrid, 1998, erinnert) und dann schnell ihr Programm umstellen. Ärgerlicher ist jedoch die Situation für die in Brasilien aktiven Spieler, denn diese Länderspiele außerhalb der offiziellen FIFA-Daten sind für sie die einzige Möglichkeit, um sich noch für die WM im eigenen Land zu empfehlen.
Aber auch die jetzt nutzlose Reise ist für sie eine Last. Ich habe am Sonntag darüber geschrieben, dass Fluminense in der zweiten Halbzeit gegen Flamengo physisch eingebrochen ist. Unter anderem wurden die Leistungsträger Thiago Neves und Wellington Nem verletzt ausgewechselt. Beide Spieler wurden für den Superclássico gegen Argentinien in die Nationalmannschaft berufen. Kann es sein, dass die „Verletzung“ Berechnung war, um die Spieler nicht abstellen zu müssen? Zumindest Thiago Neves lief dann aber doch im Startaufgebot auf.
Zuletzt ist die ganze Situation aber natürlich auch für die Fans, die Eintritt und Reise bezahlt haben, ärgerlich. Der brasilianische Fußballverband hat schon signalisiert, dass es zumindest 2012 kein Ausweichdatum mehr für den Superclássico gibt. Deswegen wird wahrscheinlich Brasilien zum Sieger des Copa Roca erklärt. Glorreiche Siege sehen anders aus.
Der Zufall wollte es, dass ich die ganze Blamage gar nicht live verfolgte. Der deutsche Konsul in Rio de Janeiro hatte zum Tag der deutschen Einheit in seinen Wohnsitz geladen. Der Empfang sollte um 22.00h (also dem Anpfiff des Spiels) enden und ich hatte geplant das Spiel in einer nahe gelegenen Kneipe anzuschauen. Aber die Party war so gut, dass ich die Zeit vergaß. Im Nachhinein muss ich sagen: Gott sei Dank!
Im Übrigen wird nächstes Jahr in Brasilien das Deutschlandjahr gefeiert, bei dem es einen intensiven kulturellen Austausch zwischen den beiden Ländern geben soll. Das läuft auch nicht immer so reibungslos und gut organisiert über die Bühne, wie man hier nachlesen kann: http://www.spiegel.de/politik/ausland/deutschland-bild-in-brasilien-streit-um-karnevals-kooperation-a-857826.html. Aber immerhin funktionierte die Beleuchtung, denn die Christusstatue wurde gestern werbewirksam schwarz-rot-gold angestrahlt, was auf einer Leinwand beim Empfang gezeigt wurde. (Mehr dazu hier: http://www.fr-online.de/panorama/christus-statue-rio-de-janeiro-christus-in-schwarz-rot-gold,1472782,18097852.html).


Am Sonntag werden in ganz Brasilien Kommunalwahlen stattfinden. Gerade in den zukünftigen WM-Städten ist das anstehende Turnier ein wichtiges Wahlkampfthema. Das gilt besonders für Rio de Janeiro, denn hier werden auch die Olympischen Spiele 2016 ausgerichtet werden. In Rio de Janeiro fand deshalb eine Informationsveranstaltung statt, um unter dem Motto „Das Maracanã gehört uns!“ über die Konsequenzen des Stadionumbaus für die lokale Fanszene zu diskutieren. Ich hatte dabei die Gelegenheit mit Mauro Cezar Pereira von dem Sportkanal ESPN Brasil über seine Erwartungen für die WM zu sprechen. Hier das Interview:



Aufstellung Brasilien:
Jefferson, Lucas Marques, Dedé, Réver, Fábio Santos;
Ralf, Paulinho, Arouca, Thiago Neves; Lucas, Neymar.

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