Donnerstag, 24. Januar 2013

Vasco – Macaé, 4:2



Alle Jahre wieder wird über Sinn und Unsinn der Staatsmeisterschaften diskutiert. Die Verteidiger heben die historische Bedeutung dieser Wettbewerbe hervor. Immerhin wird die São Paulo-Meisterschaft seit 1901 und die Riomeisterschaft seit 1906 ausgetragen. Zum anderen stellen sie die einzige Möglichkeit für kleinere Teams dar, Spielpraxis zu bekommen.
Die Gegner beklagen jedoch den aufgeblähten Spielplan – brasilianische Spitzenteams kommen auf bis zu 80 Spiele pro Saison -, den zweifelhaften sportlichen Wert und die Verzerrung des Sportkalenders im Vergleich zu anderen Ligen Amerikas und Europas. Der renommierte brasilianische Journalist Juca Kfouri, ein erklärter Gegner der Staatsmeiterschaften, führt in seiner Kolumne vom Montag an, dass am letzten Wochenende die Spiele der vier Großen in Rio zusammen auf lediglich 18.000 Zuschauer kamen. Es scheint also, dass sich auch die Fans nicht wirklich für diese Meisterschaft interessieren.
Die vier Großen spielen vorerst mit angezogener Handbremse, um sich zu schonen. Der Meister Fluminense schickte ein B-Team seiner Jugendmannschaft aufs Feld. Die erste Mannschaft soll sich für die viel wichtigere Copa Libertadores schonen. Vasco und Flamengo stecken in der Krise. Sie mussten viele Spieler verkaufen, um ihre Bilanzen einigermaßen ins Gleichgewicht zu bekommen. Die Riomeisterschaft ist für sie also eher ein Test. Nur Botafogo könnte schon mit etwas mehr Elan ins Turnier starten. Eventuell hat das auch Vater Marcelo de Pombagira so analysiert, als er die Vorhersage machte, dass Botafogo die Meisterschaft gewinnen würde.
In Nordostbrasilien behebt man das Dilema der Staatsmeisterschaften, indem ein Nordostpokal gegründet wurde, mit den besten Mannschaften der neun Bundesstaaten der Region. Dort sind die Stadien voll. Irgendwas müssen die also richtig machen.
Auch mein Nachbar und Vasco-Fan Camilo ist noch etwas verkatert von der letzten Saison und will noch nicht ins Stadion gehen. Wir einigten uns also darauf das Spiel bei ihm zu Hause zu verfolgen. Dazu gesellt sich João Marcelo, ebenso Vasco-Fan und los geht die Debatte über den Sinn der Staatsmeisterschaften und andere Probleme des Fussballs.
Camilo: „Martin wollte ins São Januário gehen, um Macaé zu sehen. Stell dir das vor!“
João Marcelo: „Du bist doch verrückt. Das lohnt sich nicht. Die Anfahrt ist zu beschwerlich und dann kommt keine Stimmung auf, weil nur ein paar Hundert Fans da sind. Wenn es wenigstens gegen einen atraktiven Gegner ginge, aber Macaé?“
Macaé ist eine kleine Stadt im nördlichen Bundesstaat Rio de Janeiro. Vor seiner Küste wurden in den letzten Jahren die grössten Ölvorkommen Brasiliens gefunden. Deshalb kam die Stadt zu Geld. Der örtliche Fussballklub wird auch von der Stadtverwaltung gesponsort, also mit öffentlichen Geldern. Der Verein wird also als absolut traditionslos wahrgenommen.
João Marcelo: „Aber nichteinmal Vasco ist derzeit atraktiv.“
Camilo: „Genau. Nachdem die soviele Spieler verkauft haben, kann man nichtmehr von einer Mannschaft und nur noch von einer Ruine sprechen.“
Martin: „Sehe ich das richtig: ihr seid mit dem Präsidenten Roberto Dinamite nicht zufrieden?“
Camilo und João Marcelo: „Nein!“


Martin: „Aber er ist doch als Ex-Spieler und Torschützenkönig ein absolutes Idol? Ausserdem kann er sicher die leeren Kassen nicht verantworten.“ 
Camilo: „Ja natürlich. Aber genau deswegen habe ich mir mehr von ihm versprochen. Er könnte ja mit den Schulden anders umgehen. Aber er stellt seine Familienangehörige im Verein an und verkauft die Mannschaft ohne Plan. Felipe, Fagner und Juninho Pernambucano, das war ein Ausverkauf. Jetzt fehlt nur noch Dedé“
João Marcelo: „Das Präsidium würde sicher liebend gerne Dedé verkaufen. Aber wenn sie das machen, dann provozieren sie einen Aufstand.“
Camilo: „Ja, das wird wohl nicht passieren.“
Für Dedé liegt ein Angebot über 19 Millionen Reais (etwa 8 Mio Euro) von Corinthians vor. Eine absolute Rekordsumme in Brasilien für einen Verteidiger. Aber die beiden sollten recht behalten. Inzwischen wurde die Vertragsverlängerung und Gehaltserhöhung für Dedé vom Verein bestätigt.
Während wir so über Fussball plaudern schiesst Macaé ein Tor. Vasco dreht das Spiel jedoch locker zu einem 3:1 um. In der Schlussphase wird es dann nochmal hektisch: denn auf beiden Seiten gibt es Elfmeter, die zum 4:2 Endstand verwandelt werden.


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