Mittwoch, 26. Juni 2013

Brasilien – Uruguay, 2:1


Ich bin wieder daheim in Rio de Janeiro. Das Halbfinale zwischen Brasilien und Uruguay fand aber in Belo Horizonte statt, also beschloss ich das Spiel in der Bar do Gomes im Stadtteil St Teresa zu verfolgen. In Rio war für heute keine Demonstration angekündigt und die Dinge sind im Moment ruhig. Ganz im Gegensatz dazu wurde am Spielort Belo Horizonte wieder kräftig demonstriert.


Die Entwicklungen rund um die brasilianische Protestbewegung sind sehr interessant. Präsidentin Dilma hat ihre Ankündigung wahr gemacht und schnell reagiert. Noch am Montag hat sie sich zunächst mit Vertretern der Protestbewegung aus São Paulo getroffen. Gleich im Anschluß wurde ein Meeting mit den Gouverneuren und den wichtigsten Bürgermeistern durchgeführt. Dabei machte Dilma ein paar Vorschläge, die im Fernsehen übertragen wurden:
1.      Ein Plebiszit, um eine Verfassungsänderung für eine Reform des politischen Systems durchzuführen.
2.      Verschärfung der Gesetzgebung zur Bekämpfung der Korruption.
3.      Investition von 100% der Royalties aus der Ölgewinnung in die Bildung.
4.      Verbesserung des Gesundheitssystems.
5.      Nationaler Plan zum Ausbau des öffentlichen Transportsystems.
Aus meiner Sicht war das ein sehr intelligenter Schachzug, denn sie ging auf die wichtigsten Forderungen der Demonstranten ein und machte gleichzeitig klar, dass sie die Zügel in der Hand hat. Sie, als Präsidentin, formulierte die Forderungen, die jetzt von einer Bestätigung im Parlament abhängen. Somit gibt sie die Verantwortung an die Abgeordneten weiter. Es ist wichtig zu erklären, dass in Brasilien der Präsident zwar Staatsoberhaupt und Regierungschef ist, aber nicht unbedingt über eine Mehrheit im Parlament verfügt. Die Proteste spielen also Dilma in die Karten, denn so wurde der nötige Druck aufgebaut, um die Reformen in die Wege zu leiten. Dilma kann sich nun als Initiatorin profilieren.
Der Punkt des Plebiszit zur Verfassungsänderung ist dabei der gewagteste Vorschlag, denn er geht zum einen auf die Forderung von mehr direkter Demokratie ein und kann sich deshalb des Rückhalts in der Bevölkerung gewiss sein. Zum anderen dürfte besonders die konservative Opposition gegen ihn Sturm laufen, weil sie befürchten muss, dass Dilma damit ihre eigene Position stärken wird.
Wie nicht anders zu erwarten war, ließen die Proteste nicht auf sich warten. Konservative Oppositionsführer merkten an, dass Volksabstimmungen über die Verfassung sehr an bolivarianische Regime, wie das Venezuela von Chaves oder das Ekuador von Correas, erinnern würden. Dilma traf sich gestern mit Verfassungsrechtlern, die ihr scheinbar von der Idee abrieten, denn heute wurde vermeldet, dass das Plebiszit wohl nicht stattfinden wird. Währenddessen trifft sich Dilma weiter mit Vertretern von Gewerkschaften und Brasiliens oberstem Richter.


Plötzlich geht auch im Parlament alles ganz schnell. In den letzten zwei Tagen wurden mehrere Abstimmungen durchgeführt, die Teil der Forderungen der Demonstranten sind. So wurde die PEC 37, die der Staatsanwaltschaft investigative Befugnisse entzogen hätte abgelehnt. Außerdem wurde schon entschieden, dass die Royalties der Ölgewinnung zu 75% in die Bildung und zu 25% in das Gesundheitssystem fließen sollen. Schließlich wurde auch die Praktik der geheimen Abstimmung im Parlament aufgehoben. Die Abstimmung zur Verschärfung der Gesetzgebung zur Korruption ist noch für heute angekündigt. Es ist atemberaubend.
Insgesamt scheint es mir so, dass Dilma als Gewinnerin aus den Auseinandersetzungen gehen könnte. Sie macht Vorschläge, zeigt sich als starkes Staatsoberhaupt, bleibt aber trotzdem bescheiden und unaufgeregt. Dilmas Arbeiterpartei PT kann viel glaubhafter verkaufen, dass sie mit den Demonstranten auf der Straße koaliert, als ihre konservative Opposition.


Aber zurück zum Spiel. Das Spiel fand um 16.00h, also noch während des normalen Arbeitstages statt. Trotzdem war nicht nur die Bar do Gomes sondern auch die Nachbar-Kneipe Nega Tereza gerammelt voll. Der Confed Cup hat die Brasilianer mehr mobilisiert als ich dachte. Deswegen stehe ich auch zu der Aussage, dass die Leute nicht gegen den Fußball oder die WM sind, sondern gegen die FIFA und die Verteilung von Ressourcen.



Uruguay spielte taktisch sehr klug und war der bisher stärkste Gegner für Brasilien. Außerdem verschoss Forlan einen Elfmeter. Aber zum Schluss zeigte Brasilien dann doch, dass sie den Sieg mehr wollten. Ich bin beeindruckt von der Art, wie Felipão es versteht ein Team zu formen. Brasilien wurde von einer vernachlässigbaren Mannschaft zu einem Titelfavoriten. In Belo Horizonte zog sich der Protestmarsch friedlich vom Zentrum bis zum Stadion im Stadtteil Pampulha. In Pampulha kam es wieder zu Ausschreitungen. Autos und Busse wurden in Brand gesetzt und ein Hyundaihändler mit Steinen beworfen.

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