Mittwoch, 31. Juli 2013

Porto Alegre

Während des Confed-Cups hatte ich die Gelegenheit 7 WM-Städte vorzustellen. In den nächsten wochen werde ich die verbleibenden 5 beschreiben. Den anfang macht Porto Alegre. 


Die Stadt
Die Einwohner des südlichsten Bundesstaates Brasiliens Rio Grande do Sul und dessen Hauptstadt Porto Alegre stehen im Ruf, etwas eigen zu sein. Das liegt zum einen an einer langen Geschichte mit Abspaltungsbemühungen, die zwischen 1835 und 1845 in einem Unabhängigkeitskrieg gipfelten, zum anderen an den vielen deutschen und italienischen Einwanderern. Die „Gaúchos“, wie die Einheimischen genannt werden, empfinden ihre Region als den europäischsten Teil Brasiliens. Aufgrund der italienischen Weinbaugebiete im Gebirge sowie diversen Orten, deren Erscheinungsbild von Fachwerk geprägt ist und die insofern an Deutschland erinnern, kam in Porto Alegre die Ansicht auf, während der WM 2014 Nationalmannschaften aus diesen Ländern besonders gut beherbergen zu können. Deutsche und Italiener würden sich in Rio Grande do Sul wohl fühlen, weil die Region ähnlich ihrer Heimat sei. Das könnte sich allerdings als Trugschluss erweisen, denn ein deutscher Tourist sucht in Brasilien vermutlich eher tropische Strände, Sonne und Hitze – und all das wird er in Porto Alegre nicht finden. Denn die Stadt liegt nicht am Meer sondern an einem Fluss, und das Klima im Juli ist ziemlich kalt. Die Temperaturen können sogar mal unter den Gefrierpunkt fallen.


Es wäre also sinnvoller, sich auf die regionalen Qualitäten und Besonderheiten zu konzentrieren, denn da hat Porto Alegre ausgesprochen viel zu bieten. Berühmt wurde die Stadt als mehrfacher Austragungsort des Weltsozialforums. Dabei spürt man auch Porto Alegres liberalen und progressiven Geist, der einen Gegenentwurf zum mondänen Davos und auch zu vielen brasilianischen Städten darstellt.
Im Stadtzentrum gibt es interessante Museen und ein aufregendes Nachtleben. Ein beliebter Treffpunkt ist die Markthalle Mercado Público, in der auch die sogenannten Gaúcho-Produkte offeriert werden. Vom Pferdesattel bis zu Cowboy-Stiefeln, vom Poncho bis zum Jagdmesser ist hier alles zu finden. Besonders interessant sind Mate-Kräuter, die mit heißem Wasser aufgegossen und dann mit Trinkrohren aus leeren Kürbisschalen getrunken werden. Das erinnert sehr an die Kultur der südlichen Nachbarn Uruguay und Argentinien.
Porto Alegre ist eine moderne und gut entwickelte Metropole. Um die Gaúcho-Kultur zu erleben, fährt man entweder in eines der Zentren der Gaúcho-Traditionen (CTG) oder gleich in die Campanha Gaúcha, also ins Landesinnere. Beim Durchqueren des Serra Gaúcha-Gebirges mit den deutschen Dörfern Gramado und Canela und den Weinanbaugebieten gelangt man im nördlichen Rio Grande do Sul in den Nationalpark Aparados da Serra mit seinem beeindruckenden Canyon und den Wasserfällen. Die Küstenregion mit ihrem Vogelreichtum verspricht unterdessen ein besonderes Naturerlebnis.


Die Küche der Region wird von den Gaúchos und den Einwanderern geprägt. Aushängeschild ist das Grillfleisch Churrasco. Große Fleischstücke werden auf Spießen über das Feuer gelegt und im halb garen Zustand gegessen. In Rio Grande do Sul wird das Fleisch nur mit Salz gewürzt. Außer Rind wird auch Schwein, Hähnchen, manchmal auch Schaf und Wild gegrillt. Dazu gibt es eine Vinaigrettesauce, Radicchio-Salat, karamelisierte Süßkartoffeln, Reis und Bohnen. Arroz de Carreteiro ist ein mit getrockneten Fleischstückchen („Charque“) vermischter Reis. Zum Probieren geht man am besten in ein Grillrestaurant Churrascaria oder in eines der Zentren der Gaúcho-Traditionen.
Die italienischen Einwanderer betreiben zahlreiche Galeterias, also Hähnchenbuden, und Pizzerien in der Region. Die deutsche Küche mit ihren Würsten und dem Sauerkraut findet man dagegen vornehmlich im Hinterland. Dort gibt es auch Cuca, eine Verbrasilianisierung des deutschen Wortes „Kuchen“. Im Winter wird an jeder Ecke Glühwein gereicht, der Quentão genannt wird. Rio Grande do Sul ist das einzige Weinanbaugebiet Brasiliens. Inzwischen wurden zudem diverse Kleinbrauereien gegründet, die leckeres Bier herstellen. Schließlich gibt es eine reiche Auswahl an Fischgerichten wie Corvina oder Tainha, die in den Restaurants im Mercado Público gereicht werden.

Der Fußball
Man sagt, dass es in Porto Alegre die größte Rivalität bei einem Stadtderby in Brasilien gibt. Das Spiel zwischen Grêmio und Internacional hat sogar einen eigenen Namen: Gre-nal. So verwundert es auch nicht, dass zwischen den beiden Klubs schon lange ein Wettbewerb um das größere und schönere Stadion herrscht. 1969 konnte Internacional mit der Eröffnung des über 100.000 Personen fassenden und wunderschön am Fluss gelegenen Beira Rio seinen Rivalen ausstechen. Das Stadion wurde auch für die WM 2014 ausgewählt und wird dafür runderneuert. Da konnte Grêmio freilich nicht hinten anstehen und beschloss, sein Olímpico zu verlassen und vor den Toren der Stadt ein neues Stadion zu errichten. Schon Inters erstes Stadion Eucaliptos war Bühne für zwei WM-Spiele. 1950 fanden dort die Begegnungen zwischen Mexiko und Jugoslawien (1:4) sowie Mexiko und der Schweiz (1:2) statt. Das Stadion ist heute jedoch leider nur noch eine Ruine und wird wohl bald Appartementhäusern weichen.


Grêmio und Internacional gehören zu den 13 großen Vereinen Brasiliens. Grêmio wurde 1903 von überwiegend deutschstämmigen Brasilianern gegründet. In Restbrasilien gilt der Verein als „unbrasilianisch“, und es wird ihm regelmäßig vorgeworfen, einen unfairen Kraftfußball zu spielen. Der Verein und seine Anhänger grenzen sich ihrerseits aber auch gerne vom Rest Brasiliens ab und sind stolz darauf, dass das Hellblau ihrer Trikots an Uruguay und Argentinien erinnert. In den letzten Jahren sind verschiedene Fanklubs dazu übergegangen, Lieder aus Argentinien zu singen.
2004 stieg Grêmio in die zweite brasilianische Liga ab. Im folgenden Jahr benötigte man im letzten Spiel bei Náutico Recife lediglich ein Unentschieden für den Wiederaufstieg. Kurz vor Schluss entstand aufgrund eines unberechtigten Elfmeters für Naútico ein Tumult, und drei Grêmio-Spieler wurden des Feldes verwiesen. Als das Spiel nach über 20 Minuten endlich wieder angepfiffen werden konnte, verschoss Náutico den Elfmeter und Grêmio konnte auf unglaublich Art und Weise im Gegenzug den 1:0-Siegtreffer erzielen. Das Spiel ging als die „Schlacht der Beklemmung“ („Aflitos“, Name des Stadions in Recife) in die Geschichte ein.


Der 1909 gegründete SC Internacional gilt als schön spielender Arbeiterverein, bei dem schon früh dunkelhäutige Spieler zugelassen wurden. Sein Name ist eine Art Protest gegen die abgrenzende Aura von Grêmio. Inter wollte jedermann aufnehmen. Berühmt wurde vor allem die Mannschaft um Nationalspieler Falcão in den 1970er Jahren. Seine größten Erfolge feierte der Verein jedoch erst kürzlich mit zwei Copa-Libertadores-Siegen sowie dem Gewinn des Weltpokals.

Grêmio Foot-Ball Porto Alegrense
Gegründet: 15. September 1903
Trikots: blau-weiß-schwarze Hemden, schwarze Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 36 Mal
Brasilianischer Meister: 1981, 1996
Brasilianischer Pokal: 1989, 1994, 1997, 2001
Copa Libertadores: 1983, 1995
Weltpokal: 1983 (2:1 gegen den HSV)
Wichtige Spieler: Renato Gaúcho, Ronaldinho Gaúcho
Internet: www.gremio.net

Sport Club Internacional
Gegründet: 4. April 1909
Trikots: rote Hemden, weiße Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 41 Mal
Brasilianischer Meister: 1975, 1976, 1979
Brasilianischer Pokal: 1992
Copa Libertadores: 2006, 2010
Weltpokal: 2006
Wichtige Spieler: Falcão, Taffarel, Dunga, Lúcio, Pato
Internet: www.internacional.com.br

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