Die Diskussionen vor
der WM waren von Sicherheitsfragen bestimmt. Zum einen befürchtete man die
tägliche Kriminalität und zum anderen Ausschreitungen bei Demos. Es kam anders.
Erfreulicherweise gibt es bisher wenige Probleme mit Überfällen. Für die
deutschen Fans gab es ein paar böse Überraschungen beim Public Viewing in
Salvador. Das war es aber.
Ich war
überzeugt, dass die Protestbewegung nicht die gleiche Stärke wie letztes Jahr
haben wird, aber ich bin schon überrascht, dass sie so eingebrochen ist. Ich
hätte auf höchstens 2.000 Demonstranten gesetzt. Was man jetzt hört ist, dass
nicht mehr als 200 Personen an Demos teilnehmen. Einige Gründe dafür liegen auf
der Hand: 1. Eine WM ist wichtiger als ein Confed Cup, 2. Die Forderungen sind
keine Neuheit mehr, 3. Die Polizei ist besser vorbereitet, 4. Die
Gewaltnachrichten der letzten Monate haben viele abgeschreckt, 5. Es wurde auch
den Brasilianern klar, dass es keine „Bewegung“ und somit auch keine
gemeinsamen Forderungen gibt.
Aber ich glaube
es gibt jetzt noch einen weiteren Grund: Zum Confed Cup kommen nicht viele
Ausländer, aber bei der WM sind die Straßen voller Fans. Man sagt es seien je über
30.000 Argentinier, Chilenen, Kolumbianer und Mexikaner in Brasilien. Auch die
anderen Lateinamerikaner und selbst die US-Amerikaner sind nicht zu übersehen.
Es sind mindestens 6.000 Deutsche wegen der WM in Brasilien, usw. Ich glaube
das hat viele Brasilianer verunsichert und es kommt nun die Frage der
Verteidigung des Territoriums auf.
Die Brasilianer
singen auch bei Spielen anderer Mannschaften ihr „Ich bin Brasilianer mit Stolz
und viel Liebe“. Es gibt im Stadion wenige Anstrengungen, um andere Fans zu
verstehen oder ihnen Platz zuzugestehen. Natürlich soll Brasilien Weltmeister
werden.
Wer im Stadion
ist, hat es geschafft. Er ist im Kreis der Auserwählten. Diese Leute
verteidigen die FIFA-Normen, die den Ausschluss der Finanzschwachen fördern.
Sie würden auch weiterhin Präsidentin Dilma ausbuhen, aber eben nicht auf die
Straße gehen, denn eigentlich haben sie ein gutes Leben. Es sind Leute die
wenig Ahnung von bodenständigem Fußball haben. Eventuell waren sie nie vor
einer WM in einem Fußballstadion.
Der Marsch nach
dem Spiel gestern aus dem Stadion zum Bus hat somit die Gelegenheit gegeben ein
anderes Brasilien zu sehen. Die bescheidenen und freundlichen Anwohner der
Armenviertel am Stadion in Fortaleza haben neugierig die Gringos beobachtet und
waren sehr erfreut, wenn einer gegrüßt hat. Einige von ihnen haben Töpfe auf
die Straße gestellt und günstig lokale Spezialitäten angeboten. Sehr lustig
waren ja auch die Fahrradtaxis. Hier hat sich das lebensfrohe, kreative, aber
auch arme und vergessene Brasilien gezeigt.
Die
WM-Organisatoren verstehen Fans und Anwohner als Radaumacher gegen die
autoritär vorgegangen werden soll. Das Ergebnis sind die Probleme beim gestrigen
Deutschlandspiel, der Stadionsturm der Chilenen und immer wieder Probleme mit
Argentiniern. Hier habe ich den Verdacht, dass die Brasilianer die Argentinier
so lange ärgern, bis diese reagieren. Brasilianer lieben es den Argentiniern Ungezogenheit
vorzuwerfen.
Es könnte nun
tatsächlich sein, dass die WM in Brasilien eine der unruhigsten und
konfliktreichsten seit langem wird, und zwar ganz anders als zuvor erwartet.
Eben nicht wegen Kriminalität und Demos, sondern wegen Inkompetenz und Ignoranz
der Sicherheitskräfte und leider auch der Fans, anderen Fans gegenüber.
Übrigens: Die
Brasilianer haben sich auf eine WM der reichen WM-Touristen aus Europa
eingestellt. Doch jetzt sind hunderte von Wohnmobilen aus Argentinien in
Copacabana eingefallen. Jetzt wissen die Brasilianer nicht wohin mit ihnen.
Schuld daran sind wahrscheinlich die Argentinier, die die Frechheit besitzen zur
WM zu fahren…
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