Sonntag, 22. Juni 2014

WM 11. Tag: Erstes Fazit

Die Diskussionen vor der WM waren von Sicherheitsfragen bestimmt. Zum einen befürchtete man die tägliche Kriminalität und zum anderen Ausschreitungen bei Demos. Es kam anders. Erfreulicherweise gibt es bisher wenige Probleme mit Überfällen. Für die deutschen Fans gab es ein paar böse Überraschungen beim Public Viewing in Salvador. Das war es aber.
Ich war überzeugt, dass die Protestbewegung nicht die gleiche Stärke wie letztes Jahr haben wird, aber ich bin schon überrascht, dass sie so eingebrochen ist. Ich hätte auf höchstens 2.000 Demonstranten gesetzt. Was man jetzt hört ist, dass nicht mehr als 200 Personen an Demos teilnehmen. Einige Gründe dafür liegen auf der Hand: 1. Eine WM ist wichtiger als ein Confed Cup, 2. Die Forderungen sind keine Neuheit mehr, 3. Die Polizei ist besser vorbereitet, 4. Die Gewaltnachrichten der letzten Monate haben viele abgeschreckt, 5. Es wurde auch den Brasilianern klar, dass es keine „Bewegung“ und somit auch keine gemeinsamen Forderungen gibt.
Aber ich glaube es gibt jetzt noch einen weiteren Grund: Zum Confed Cup kommen nicht viele Ausländer, aber bei der WM sind die Straßen voller Fans. Man sagt es seien je über 30.000 Argentinier, Chilenen, Kolumbianer und Mexikaner in Brasilien. Auch die anderen Lateinamerikaner und selbst die US-Amerikaner sind nicht zu übersehen. Es sind mindestens 6.000 Deutsche wegen der WM in Brasilien, usw. Ich glaube das hat viele Brasilianer verunsichert und es kommt nun die Frage der Verteidigung des Territoriums auf.
Die Brasilianer singen auch bei Spielen anderer Mannschaften ihr „Ich bin Brasilianer mit Stolz und viel Liebe“. Es gibt im Stadion wenige Anstrengungen, um andere Fans zu verstehen oder ihnen Platz zuzugestehen. Natürlich soll Brasilien Weltmeister werden.
Wer im Stadion ist, hat es geschafft. Er ist im Kreis der Auserwählten. Diese Leute verteidigen die FIFA-Normen, die den Ausschluss der Finanzschwachen fördern. Sie würden auch weiterhin Präsidentin Dilma ausbuhen, aber eben nicht auf die Straße gehen, denn eigentlich haben sie ein gutes Leben. Es sind Leute die wenig Ahnung von bodenständigem Fußball haben. Eventuell waren sie nie vor einer WM in einem Fußballstadion.  
Der Marsch nach dem Spiel gestern aus dem Stadion zum Bus hat somit die Gelegenheit gegeben ein anderes Brasilien zu sehen. Die bescheidenen und freundlichen Anwohner der Armenviertel am Stadion in Fortaleza haben neugierig die Gringos beobachtet und waren sehr erfreut, wenn einer gegrüßt hat. Einige von ihnen haben Töpfe auf die Straße gestellt und günstig lokale Spezialitäten angeboten. Sehr lustig waren ja auch die Fahrradtaxis. Hier hat sich das lebensfrohe, kreative, aber auch arme und vergessene Brasilien gezeigt.
Die WM-Organisatoren verstehen Fans und Anwohner als Radaumacher gegen die autoritär vorgegangen werden soll. Das Ergebnis sind die Probleme beim gestrigen Deutschlandspiel, der Stadionsturm der Chilenen und immer wieder Probleme mit Argentiniern. Hier habe ich den Verdacht, dass die Brasilianer die Argentinier so lange ärgern, bis diese reagieren. Brasilianer lieben es den Argentiniern Ungezogenheit vorzuwerfen.
Es könnte nun tatsächlich sein, dass die WM in Brasilien eine der unruhigsten und konfliktreichsten seit langem wird, und zwar ganz anders als zuvor erwartet. Eben nicht wegen Kriminalität und Demos, sondern wegen Inkompetenz und Ignoranz der Sicherheitskräfte und leider auch der Fans, anderen Fans gegenüber.

Übrigens: Die Brasilianer haben sich auf eine WM der reichen WM-Touristen aus Europa eingestellt. Doch jetzt sind hunderte von Wohnmobilen aus Argentinien in Copacabana eingefallen. Jetzt wissen die Brasilianer nicht wohin mit ihnen. Schuld daran sind wahrscheinlich die Argentinier, die die Frechheit besitzen zur WM zu fahren…

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